Forscher entdecken chemische Verbindung, die geschädigte Nerven im Auge wieder lichtsensitiv macht

Ein neuer Wirkstoff lässt blinde Mäuse sehen: US-Forschern ist es gelungen, Mäusen, die aufgrund einer gentechnischen Veränderung erblindet waren, durch die Injektion einer einzigen Substanz ihr Augenlicht wiederzugeben. Nach der Behandlung mit dem Wirkstoff begannen die Nerven in der Netzhaut der Tiere, wieder auf Licht zu reagieren, beobachteten die Forscher. Ihre Ergebnisse könnten langfristig auch für Menschen mit genetischer oder altersbedingter Blindheit von Nutzen sein – vorausgesetzt, der Effekt lässt sich in klinischen Studien reproduzieren.

In gesunden Augen sind die Sinneszellen der Netzhaut, Zapfen und Stäbchen, dafür verantwortlich, dass Lichtreize registriert und weitergeleitet werden. Wenn diese Sinneszellen, auch Photorezeptoren genannt, jedoch absterben, funktioniert die visuelle Wahrnehmung nicht mehr und der Betroffene erblindet. Genau das ist bei Patienten mit der Erbkrankheit Retinitis pigmentosa oder der altersbedingten Makuladegeneration, einer im Alter häufig auftretenden Netzhauterkrankung, der Fall. Sie können nur noch schlecht oder gar nicht mehr auf Lichtreize reagieren. Das Forscherteam um Aleksandra Polosukhina von der University of California in Berkeley hat jetzt jedoch eine Substanz gefunden, die solche Schäden rückgängig machen könnte.

Die Wissenschaftler injizierten AAQ – die Abkürzung steht für den englischen Namen Acrylamide-azobenzene-quaternary ammonium – direkt in die Augen der Tiere. Das AAQ verlieh den blinden Mäuseaugen wieder Lichtempfindlichkeit. AAQ ist eine Art Photoschalter, der sich an spezielle Transporteiweiße auf der Oberfläche der Netzhautzellen anlagert. Sobald Licht in die Augen fällt, verändert das AAQ den Fluss bestimmter geladener Teilchen und aktiviert so die Nerven – genauso, wie normalerweise Zapfen und Stäbchen durch Licht aktiviert werden.

Das Ergebnis spricht für sich: Die Nerven der Netzhaut zeigten nach der Behandlung eine deutlich erhöhte Aktivität bei Licht. Außerdem war der Pupillenreflex wieder aktiv und die Mäuse zeigten nun das für Nagetiere typische lichtscheue Verhalten. Bis zu der Behandlung reagierten die blinden Tiere auf Licht nicht anders als auf Dunkelheit.
„Der Vorteil der Substanz ist, dass sie sehr einfach zu handhaben ist. Das bedeutet, man kann die Dosierung jederzeit verändern, AAQ in Kombination mit anderen Therapien nutzen oder die Behandlung stoppen, wenn man mit den Ergebnissen nicht zufrieden ist“, sagt Richard Kramer, einer der Autoren der Studie. „Wir müssen aber noch zeigen, dass alle Komponenten der Chemikalie auch für Menschen verträglich sind und sie bei Menschen genauso wirken wie bei Mäusen.“

Aleksandra Polosukhina (University of California, Berkeley) et al.: Neuron; doi: 10.1016/j.neuron.2012.05.022

© wissenschaft.de – Gesa Seidel

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