26.07.2012 Köln

Bereits zum dritten Mal hat sich TÜV Rheinland auf große Europa-Einkaufstour begeben. Auf den Einkaufszetteln standen in diesem Jahr Spielzeug, Sonnenbrillen und Fußball-Shirts. Fündig wurden die Experten in beliebten Urlaubsregionen direkt am Strand oder in Souvenir- und Billigläden. Doch auch in diesem Jahr können die Prüfer keine Entwarnung geben. 52 der 134 gekauften Artikel entsprechen nicht den Mindestanforderungen der Europäischen Union. Sie dürfen so innerhalb der EU nicht verkauft werden, da sie die Anforderungen der grundlegenden Sicherheitsnormen und Kennzeichnungspflichten nicht erfüllen. Besonders alarmierend ist die Lage bei den getesteten Spielwaren. „Von den 45 gekauften Spielwaren weisen 28 Produkte zum Teil schwerwiegende Mängel auf“, erklärt Prof. Ralf Wilde, Executive Vice President Produkte bei TÜV Rheinland. „Neben verschluckbaren Kleinteilen haben wir unter anderem auch Klemmstellen oder Mängel bei der elektrischen Sicherheit gefunden. Diese Produkte stellen ein Sicherheitsrisiko für Kinder dar und dürfen so nicht verkauft werden“.

Gekauft wurden die Freizeitartikel für 99 Cent bis circa 20 Euro in den letzten Wochen in beliebten Urlaubsregionen in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Spanien direkt am Strand, in Souvenir- oder Billigläden – dort, wo üblicherweise auch viele Urlauber und Familien mit Kindern Freizeitprodukte für den Urlaub kaufen. Getestet wurden die Produkte anschließend in Testlaboratorien von TÜV Rheinland in Köln und Nürnberg.

Jedes zweite Spielzeug stellt eine Sicherheitsgefahr dar

Ein Schwerpunkt des diesjährigen Tests lag auf dem Kauf von Spielwaren. Insgesamt kauften die Tester 45 Spielwaren in den beliebten Urlaubsregionen, darunter 11 Produkte aus Spanien, 13 aus Italien, 11 aus den Niederlanden sowie weitere 10 Produkte aus Deutschland. In den Tests müssen diese die Vorgaben der EU-Spielzeugrichtlinie erfüllen. Bei 28 Produkten war dies nicht der Fall. Sie hielten den mechanischen und chemischen Anforderungen nicht stand. Für die mechanischen Prüfungen nahmen die Prüfer die Spielwaren kritisch unter die Lupe: die Produkte wurden dabei unter anderem auf scharfe Ecken und Kanten, verschluckbare Kleinteile, mögliche Klemmstellen sowie auf ihre elektrische Sicherheit hin überprüft. Dabei kamen die Experten zu alarmierenden Ergebnissen. Jedes zweite Produkt fiel bei den mechanischen Tests durch. Besondere Probleme stellen verschluckbare Kleinteile dar, die sich vom Spielzeug lösen können und an denen Kinder ersticken können. Diese fanden die Prüfer bei sieben Produkten. Weitere neun Produkte wiesen Probleme mit der elektrischen Sicherheit auf: hier sind unter anderem Batterien frei zugänglich und es besteht die Gefahr von Kurzschlüssen. Weitere Sicherheitsrisiken entstehen durch Klemmstellen oder eine schnelle Entflammbarkeit der Produkte.

Auch bei den chemischen Prüfungen fielen acht Produkte durch die Prüfungen. Bei vier Spielwaren fanden die Prüfer von TÜV Rheinland hohe Belastungen mit Phthalat-Weichmachern, die über den für Spielzeug als Grenzwert erlaubten Konzentrationen lagen. Phtalate stehen im Verdacht, hormonell zu wirken und krebserregend zu sein. Zwei weitere Produkte enthielten erhöhte Werte an Polycyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Auch diese stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen und sind toxisch. Technisch sind diese Stoffe vermeidbar. Bei einer Seifenblasenpistole war die Flüssigkeit mikrobiologisch verkeimt. Ein weiteres Produkt verstieß gegen Umweltanforderungen, da es erhöhte Gehalte an Schwermetallen aufwies. „Diese Spielwaren stellen eine Gefahr für Kinder dar und dürfen daher erst gar nicht in Kinderhände geraten. Wichtig ist hier an den europäischen Grenzen dafür zu sorgen, dass solche gefährlichen Produkte nicht auf den Markt gelangen, denn für den Verbraucher sind diese Sicherheitsrisiken auf den ersten Blick oft nicht zu erkennen.“, fasst Ralf Wilde das Ergebnis zusammen.

Viel Schatten bei den Sonnenbrillen

Neben Spielwaren hat TÜV Rheinland auch 60 Sonnenbrillen gekauft und getestet. 16 Sonnenbrillen stammen aus Deutschland, 12 Brillen aus Italien, weitere 17 Brillen aus den Niederlanden sowie 15 aus Spanien. Auch bei den 60 Sonnenbrillen sind die Ergebnisse teilweise erschreckend. Bei fast jeder zweiten Brille fanden sich zum Teil gravierende Mängel. Überprüft wurden hierbei der UV-Schutz, die Straßenverkehrstauglichkeit der Brillen, die qualitative Verarbeitung sowie die Stoßfestigkeit der Brillengläser. 40 Prozent der getesteten Brillen haben die Prüfungen der Experten nicht bestanden. Bei sieben Brillen waren die Brillengläser so schlecht verarbeitet, dass die Brillenträger beim Tragen der Brille immer das Gefühl haben, durch verschmutzte Gläser zu sehen, da Verunreinigungen im Glas selbst enthalten waren. Bei weiteren sechs Brillen waren die Verarbeitung oder das Design der Gläser so schlecht, dass es zu optischen Verzerrungen beim Sehen durch die Brille kommt. Der Brillenträger kann durch die Brille nicht scharf sehen und wird durch die Verarbeitung teilweise zum Schielen veranlasst. Dies kann beispielsweise zu erheblichen Beeinträchtigungen im Straßenverkehr führen oder auch zu gesundheitlichen Beschwerden wie zum Beispiel Kopfschmerzen oder Übelkeit. Bei vier Brillen war die Straßenverkehrstauglichkeit nicht gegeben und die Brillen nicht mit dem in diesem Fall notwendigen Warnhinweis versehen. Dunkle oder farbige Gläser sind im Straßenverkehr nicht zugelassen, da sie zum Beispiel Probleme bei Tunnelfahrten oder bei der Farberkennungen an Ampeln verursachen können. Die Gläser von sieben Brillen wurden darüber hinaus beim Kugelfalltest zerstört. Geraten die dabei entstehenden Splitter in die Augen kann es zu irreparablen Schäden des Sehvermögens kommen. Auch boten vier der gekauften Brillen keinen 100%igen UV-Schutz. Dr. Patrick Niklaus, Experte für Augenschutz bei TÜV Rheinland, kommt zu einem traurigen Fazit: „Viele der gekauften Brillen verschlechtern das Sehvermögen. Die meisten der Mängel könnten durch bessere Materialien und bessere Produktion vermieden werden. Hier wird am falschen Ende gespart.“

Lichtblick Textilien

Von ihren Einkäufen brachten die Testkäufer auch 10 Fußball-Shirts aus Spanien sowie Italien, 5 aus den Niederlanden und weitere 4 aus Deutschland mit. Bei diesen Produkten sahen die Ergebnisse etwas besser aus. Hier wurden alle Grenzwerte eingehalten. Keines der 29 Kinder-Shirts im Test hat besondere Belastungen von Schadstoffen oder Allergie erzeugenden Stoffen aufgewiesen. Allerdings war die Qualität der meisten Produkte mangelhaft. Ein Kauf der billigen Ware daher auch nicht empfehlenswert, denn der Spaß mit den T-Shirts ist nur sehr begrenzt. Hier sollte man sich in Urlaubslaune nicht blenden lassen. Die Stoffe, Verarbeitung und Farben bei 21 Produkten lassen sehr zu wünschen übrig. Unsymmetrische Passform, unsauberer Druck sowie schlechte Verarbeitung an den Nähten seien vielfach zu beanstanden gewesen. Auch die Pflegehinweise seien in 21 von 29 Fällen unzureichend gewesen. Ralf Wilde ergänzt: „Bei so billiger Ware mit zweifelhafter Herkunft dürften auch die Produktionsbedingungen der Artikel auf sehr niedrigem Niveau sein, was Umwelt- oder Sozialstandards angeht.“

Testgrundlagen im Überblick

Die Tests der 134 Artikel wurden in den letzten Wochen in den TÜV Rheinland Laboratorien in Köln und Nürnberg durchgeführt. Als Prüfgrundlage dienten den Experten die Mindestvorgaben europäischer Sicherheitsnormen, die jedes der Produkte erfüllen muss, wenn sie innerhalb der Europäischen Union verkauft werden sollen. Dazu zählen insbesondere die Sicherheitsvorgaben für Spielzeug (2009/48/EG sowie EN 71 und EN 62115), die Chemikalienverordnung REACH 1907/2006 EG (Anhang XVII; Verbot von bestimmten Phthalaten) sowie die Norm DIN EN 1836:2007 für Sonnenbrillen.

Europäisches Problem

Bereits zum dritten Mal hat TÜV Rheinland Freizeitprodukte aus beliebten europäischen Urlaubsregionen getestet. Dabei schreibt sich ein negativer Trend fort. Jeder Test zeigte gravierende Mängel bei Qualität und Sicherheit der Produkte – unabhängig vom Einkaufsland. 2009 fielen über 60 Prozent der gekauften Artikel durch, 2010 über 35 Prozent und auch 2012 fielen knapp 40 Prozent der Produkte durch. Auch die Mängel waren vergleichbar: die Produkte wiesen sowohl chemische als auch mechanische Probleme auf. Ralf Wilde: „Die mangelhafte Sicherheit von billigen Freizeitartikeln ist ein europäisches Problem, kein nationales. Wir haben europäische Regelungen, die die Mindestanforderungen klar regeln. Solche Produkte dürfen in Europa gar nicht in den Verkauf gelangen. Es gibt hier aber ein Vollzugsproblem, da es kaum wirksame Kontrollen der Produkte und damit zu wenig Verlässlichkeit für Verbraucher gibt. Die jetzigen Kontroll- und Sanktionsmechanismen scheinen nicht zu greifen. Hier muss sich etwas ändern.“

Kontakt für Journalisten: Ralf Diekmann
+49 221 806-1972

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